Spätestens seit dem SPD-Bundesparteitag am vergangenen Sonntag überschlagen sich Medien und auch die Diskussionen in meinem politischen Umfeld über “Die jungen Wilden”. Bei Twitter trendet der Hashtag #DieseJungenLeute. Warum werden jetzt die vermeintlich unangepassten jungen Wilden so gefeiert?

Inhaltlich haben sie natürlich Recht. Es ist Zeit, dass in der SPD (wahrscheinlich auch in den anderen Parteien, aber ich will mal nur über den Laden sprechen, den ich kenne) junge Menschen ans Ruder kommen

So eine Aussage ist natürlich nicht uneigennützig. Aber ich finde sie auch inhaltlich berechtigt. Denn die SPD ist uninspiriert, langweilig, angstbesetzt und kreativlos. Der Partei haftet das Image einer Alte-Herren-Partei an, die personell, thematisch, sprachlich, kulturell und vom ganzen Habitus den Zug in die Gegenwart – geschweige denn die Zukunft – verpasst hat.

Die SPD im Kreis Euskirchen ist in Teilen anders unterwegs. Und das ist Uwe Schmitz zu verdanken. Er hat junge Politikerinnen und Politiker in der SPD aktiv gefördert. Immer auch mit dem Bewusstsein, dass das eine Gefahr für die eigene Position bedeuten kann. Schließlich zieht man sich eigene potenzielle Konkurrenz heran. Man darf dabei auch nicht vergessen, dass Uwe Schmitz zu der Zeit selbst eigentlich noch zu den “jungen Wilden” gehört hat. Immerhin war er Mitte 40 und selbst Dobrindt mit 47 wird jetzt dazu gezählt. Die SPD im Kreis Euskirchen ist also in der Frage vielleicht etwas weiter. Der Vorsitzende Markus Ramers ist 30 Jahre, der Fraktionsvorsitzende Andreas Schulte ist Anfang 40. Mit Helena Vitt, Emmanuel Kunz und mir stehen weitere Junge in Verantwortung. Der Rest der Partei kann sich also eine Scheibe von der SPD Kreis Euskirchen abschneiden. Auch von den Ergebnissen. Markus Ramers hat einen Erststimmenzuwachs bei der Landtagswahl verzeichnet. Und bei einem überaus bescheidenem Landestrend sogar landesweit den höchsten.

Aber – und da will ich eigentlich drauf hinaus – die jetzige Diskussion erinnert mich sehr an schon dagewesene Situationen. Da wurden andere unangepasster Politiker medial gefeiert und hochgejazzt. Peer Steinbrück zum Beispiel, aber auch Sigmar Gabriel. Sie wurden für ihre unangepasste Art, ihre Meinungen gegen den Trend und ihre polarisierenden Äußerungen gelobt, teilweise gefeiert.

Ich lese in Medien und höre von Freunden und Bekannten oft, dass man genug von “aalglatten” Politikern habe. Man wolle Politiker mit Ecken und Kanten. Die Erfahrung zeigt aber: Das funktioniert so lange, wie der- oder diejenige kein höheres Amt anstrebt. Dann stößt man sich plötzlich an eben diesen gleichen Ecken und Kanten.

Ja, im Parteiensystem kommen oft geschliffene Menschen empor. Das kann man aber den Leuten nur bedingt vorwerfen. Denn sie sehen doch auch was mit eckigen Menschen passiert. Also werden viele zum geschmeidigen Kieselstein geschliffen, der bequem und angepasst im Flussbett der Parteigliederungen liegt. Da wird kein Wasser verwirbelt und der Strom kann ungestört weiterplätschern, oder wenn man böse ist weiterdümpeln.

Alter ist kein Qualitätsmerkmal. Man kann jung und gleichzeitig langweilig angepasst sein. Und Umgekehrt gibt es ältere, die fröhlich gegen den Strich bürsten. Ich wünsche mir auch mehr Ecken und Kanten. Dann müssen die Medien und die Menschen aber auch ehrlich zu sich sein und mit Widerspruch und streitbaren Köpfen umgehen können und wollen.

Im Ergebnis geht es, glaube ich, um Haltung. So abgedroschen das klingt, Rückgrat und Standfestigkeit – vielleicht manchmal auch die Lust zur Provokation – das sind Eigenschaften nach denen man sich anscheinend sehnt. Nicht die „Alternativlosigkeit“ , sondern echte Menschen mit echten Meinungen, an denen man sich auch reiben oder abarbeiten kann.

Aber – und das ist der Punkt – das ist anstrengend, das macht Arbeit. Und da bin ich mit nicht sicher, ob das tatsächlich gewünscht ist. Belohnt wird es jedenfalls bisher nicht.
“Stört mich nicht in meiner blendenden-Konjunktur-Bequemlichkeit” – scheinen viele zu denken.

Der Rest scheint eine polit-mediale, selbstreferenzielle Wunschvorstellung zu sein.
In dem Fall irre ich mich sehr gerne!