Die letzten Wochen haben einige Überraschungen für mein persönliches politisches Wirken bedeutet. So bin ich in den Landesvorstand der SGK in NRW und zum stellvertretenden Regionalvorsitzenden der SPD Mittelrhein gewählt worden.

In dem Zusammenhang habe ich mich gefragt: Warum das alles? Was will ich einbringen?

Vor dem eigenen Ego – ich glaube, dass fast alle Politiker immer auch ihren eigenen Geltungsdrang befriedigen – geht es mir um vier Dinge.

  1. Perspektive

Wir sitzen immer in internen Gremien und Runden und gehen dann im Glauben nach Hause, die Welt verbessert zu haben, wenn nicht gar gerettet. Dass SPD-Gremien allerdings häufig mehr mit Selbsthilfegruppen als mit echter Veränderung der Welt zu tun haben, da belügen wir uns gerne selbst. Die Ergebnisse dieser Runden erblicken selten das Licht der Welt. Selbst wenn es mal eine Idee / eine Initiative in die Öffentlichkeit schafft, dann ist die Wahrnehmung verschwindend gering. Aber es geht nicht nur um die eigene Wahrnehmbarkeit, es geht vor allem um Wahrnehmung. Nämlich um Wahrnehmung der Welt, der Alltagsprobleme der Menschen. Viele Politiker machen „Praxistage“ oder besuchen Unternehmen, Vereine, Initiativen. Das ist richtig und wichtig. Denn nur auf diesem Weg erfährt man wo es hakt, was nicht läuft und was zu tun ist. Zwar bewegen sich Politiker, gerade wir ehrenamtlichen Politiker uns nicht nur in politischen Parallelwelten. Aber die politische Debatte findet oft abgeschottet und losgelöst statt. Und deswegen ist die Präsenz, das Interesse und der Einblick so wichtig. Wichtig ist aber auch, dass wir aus diesen Treffen mit „der Realität“ etwas mitnehmen und etwas machen. Das können einerseits „Hausaufgaben“ sein, also kleinere konkrete Probleme, die vor Ort angepackt und gelöst werden können/müssen (klassische Kümmerrolle). Auf der anderen Seite geht es auch um Eindrücke und Impulse für strukturelle Fragen. Konkrete Probleme vor Ort lösen ist wichtig. Es geht aber auch darum, dass wir anhand solcher Besuche grundlegende Probleme unserer Strukturen in Angriff nehmen. Es geht mir also um eine neue Perspektive in und auf Politik. Raus aus den Hinterzimmern und rein in die Kindergärten, Fabriken, Schulen und Sporthallen.

  1. Sprache

Der Wurm muss dem Fisch und nicht dem Angler schmecken. Das ist ein blödes, abgegriffenes Bild, das aber etwas Wahres hat.

Wir zirkulieren in Politikblasen. In Parteigremien wird SPD-Sprech gesprochen, man könnte auch sagen, dass SPD-Phrasen gedroschen werden (ich kann das Wort „Teilhabe“ nicht mehr hören). Im Stadtrat und im Kreistag wird Verwaltungsdeutsch gesprochen. Und alle beteiligen sich daran und führen so die sprachliche Entwicklung fort. All das führt zu einer sich selbst in Bezug nehmenden Sprache, man könnte auch von inzestuöser Sprache reden. Zu behaupten, dass das keiner verstehen kann, wäre arrogant und vermessen. Aber wie abschreckend eine solche Sprache ist, sollte jedem klar werden, der einen Schritt zurück macht und sich selber zuhört bzw. seine eigenen Anträge oder Texte liest. Ich kann verstehen, wie sich so etwas entwickelt, mir geht es ja nicht anders. Man liest zu einer politischen Frage viel und übernimmt dabei automatisch ein gewisses Vokabular, bei dem jeder der Beteiligten sofort weiß, worum es geht. Ich will auch nicht, dass wir Dinge vereinfachen oder nur noch in einfacher Sprache sprechen. Die Welt ist kompliziert und ich glaube, dass man gewisse Dinge nicht in 20 Sekunden oder 280 Zeichen erklären und diskutieren kann und sollte. Es geht mir darum, dass wir uns des Problems bewusst sind und vielleicht auf eine Sprache besinnen, die nicht kryptisch, technokratisch oder verschwurbelt und vor allem nicht abgehoben ist. Ehrlich, verständlich und authentisch – so will ich und so sollte die SPD sprechen.

  1. Spaß

Als Kind der 90er ist mir Spaß ein wichtiger Antrieb. Man mag der Generation Y vorwerfen, nur um sich selbst zu kreisen, ein Haufen Hedonisten zu sein und egoistisch nur auf das eigene Wohl zu achten. Aber ich bin der festen Überzeugung, dass man ohne Spaß und Freude nichts bewegt bekommt. Hedonismus ist ja auch mehr als reine Eigensucht, sondern beschreibt auch die Überzeugung, dass wahre, aus sich selbst wachsende Motivation in erster Linie durch Spaß und Freude entsteht. Spaß bedeutet für mich nicht, auf Anstrengung oder Entbehrung zu verzichten. Arbeit und Disziplin sind für mich kein Gegensatz von Spaß. Spaß bedeutet für mich, nicht verzagt und leidend, jammernd, angstbesessen und gebückt in die Zukunft zu gucken. Gerade der SPD fehlt es an Spaß, Freude und Zuversicht. Ich halte nichts von griesgrämiger Angstpolitik. Mutig, positiv und freudig-fröhlich für eine bessere Gesellschaft – so will ich arbeiten.

  1. Welt retten

Man kann zu Recht darüber streiten, ob das politische System mit der Aufteilung in „Links“ und „Rechts“ noch sinnvoll beschrieben ist, und vor allem, wen das eigentlich interessiert. Richtig ist aber, dass es politische Parteien gibt, die den erreichten Status Quo eines Landes erhalten und behutsam in die Zukunft tragen wollen, während andere sich nie mit dem Status Quo einer Gesellschaft zufrieden geben werden. Die SPD gehört zu letzteren. Wir werden uns nie mit den großen und kleinen Unzulänglichkeiten und Ungerechtigkeiten in unserem Land zufrieden geben. Das gilt auch für mich. Das macht es zwar unfassbar anstrengend und vielleicht für manchen auch nervig. Aber ich will mir den Weltverbesserer nicht aberziehen lassen. Ich will nicht zum Zyniker werden und mich nicht zum Kieselstein schleifen lassen, der schön beschaulich und angepasst im Flussbett liegt und für keine Verwirbelung sorgt. Nennt mich naiv, aber das Weltretter-Gen liegt in der DNA der SPD. Wir sollten es hegen und pflegen und ihm wieder zu mehr Geltung verhelfen.